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Wenn Erfolg zum Innovationskiller wird

Autorenbild: Stefan SchwarzStefan Schwarz

Agilität, Mut und die Bereitschaft, neue Wege zu gehen, treiben das Wachstum vieler Unternehmen an. Doch mit zunehmendem Erfolg verschiebt sich der Fokus: Stabilität, Effizienz und Prozessoptimierung gewinnen an Bedeutung.


Diese Faktoren sind wichtig, um ein Unternehmen langfristig tragfähig zu machen – aber sie haben eine oft unterschätzte Nebenwirkung: Innovative Ansätze werden durch starre Strukturen ausgebremst.


Im ersten Artikel habe ich aufgezeigt, wie KMUs von Intrapreneurship profitieren können und warum der Verlust von Innovationskraft oft schleichend einsetzt. Nun stellt sich die Frage: Lässt sich diese Entwicklung aufhalten – oder sogar umkehren?


Die Antwort ist: Ja – aber nur, wenn Unternehmen bewusst gegensteuern. In diesem zweiten Teil beleuchte ich, wie KMUs ihre Innovations-DNA wieder aktivieren können, welche Hürden sie dabei überwinden müssen und welche konkreten Massnahmen dafür entscheidend sind.



Vom Start-up zum Verwalter


Jedes erfolgreiche Unternehmen durchläuft ähnliche Wachstumsphasen:


1. Die Anfangsphase:

Die meisten Unternehmen starten mit einem echten Start-up-Spirit. Schnelle Entscheidungen, kurze Wege und der Mut, Risiken einzugehen, treiben das Wachstum an.


2. Die Wachstumsphase:

Mit zunehmendem Erfolg verschieben sich die Prioritäten. Strukturen werden gefestigt, Prozesse standardisiert und Hierarchien aufgebaut, um die Effizienz und Skalierbarkeit des Unternehmens zu sichern.


3. Die Verwaltungsphase:

Die Absicherung des bestehenden Geschäfts wird zum Hauptziel, Stabilität und Risikominimierung rücken in den Fokus. Hierarchien entstehen, Arbeitsprozesse werden definiert und Freiräume verschwinden zunehmend.


Dieser Wandel ist unvermeidlich – doch er birgt eine oft unterschätzte Gefahr: Innovationskraft wird zwar nicht aktiv unterdrückt, aber unbemerkt erodiert. Was anfangs als Professionalisierung und Stabilisierung gedacht war, führt häufig dazu, dass sich das Unternehmen nicht mehr von innen heraus erneuert.


Das Problem ist also nicht, dass Unternehmen wachsen – sondern, dass sie mit dem Wachstum oft den Mut zur Veränderung verlieren.

Warum werden Intrapreneure in diesem Umfeld ausgebremst?


Die Strukturen, die ein Unternehmen mit der Zeit erfolgreich und stabil machen, können im weiteren Wachstum zur Innovationsbremse werden. Lange Entscheidungswege, starre Prozesse und eine Kultur, die Fehler vermeidet, anstatt aus ihnen zu lernen, sind typische Innovationshemmnisse in etablierten Unternehmen.


Innovative Mitarbeitende, die früher gefeiert wurden, müssen nun gegen interne Hürden ankämpfen, um überhaupt Gehör zu finden. Sie finden sich plötzlich in einer Struktur wieder, die für Verwaltung statt Innovation optimiert ist und geraten dadurch zunehmend ins Abseits. Das führt zu Frustration, Resignation und im schlimmsten Fall dazu, dass genau die kreativen Köpfe, die das Unternehmen nach vorne bringen könnten, sich entweder innerlich zurückziehen – oder das Unternehmen verlassen.


 

Innovation ist eine Führungsaufgabe


Ein verbreiteter Irrtum ist, dass Innovation ausschliesslich in der Forschungs- und Entwicklungsabteilung stattfindet. Tatsächlich entsteht sie jedoch überall dort, wo Mitarbeitende den Raum haben und die Freiheit geniessen, Ideen zu entwickeln und voranzutreiben. Ideen entstehen schliesslich nicht im Vakuum. Sie brauchen ein Umfeld, in dem sie wachsen können. Das beginnt mit einer Unternehmenskultur, die Experimente zulässt und nicht jede Abweichung vom Standardprozess als Risiko betrachtet.


Die Verantwortung für eine innovationsfreundliche Kultur liegt an der Unternehmensspitze.


Der Schweizer Innovationsexperte, Unternehmer und Autor Alex Osterwalder, bekannt für seine Arbeiten zur Geschäftsmodellinnovation, bringt es in einem Interview auf den Punkt:


"CEOs sollten 40–60 % ihrer Zeit aktiv in Innovation investieren. Sich mit Innovation zu beschäftigen bedeutet, sich mit der Zukunft zu beschäftigen – und wer kann es sich leisten, das nicht zu tun?“

Die Realität sieht oft anders aus: Führungskräfte sind häufig in operative Themen, Risikomanagement und interne Abstimmungen eingebunden. Wenn Innovation nur als Projekt neben dem Kerngeschäft betrachtet oder gar inszeniert wird, verhindert dies echten Fortschritt.


Wenn sie jedoch den regelmässigen Austausch mit Kunden, Mitarbeitenden und Produktverantwortlichen suchen, gewinnen sie nicht nur neue Perspektiven, sondern schärfen durch die erhaltenen Erkenntnisse auch ihren Blick für die strategische Ausrichtung.



Herausforderungen für Führungskräfte: Innovationsförderer oder Bremse?


Es existiert ein grundlegendes Dilemma: Wenn Intrapreneure mit einer neuen Idee auf Führungskräfte zugehen, wägen diese instinktiv ab, welche persönlichen Konsequenzen eine Entscheidung für sie selbst haben könnte. Stellen wir uns eine Führungskraft vor, die mit einer innovativen Idee konfrontiert wird. Sie steht vor zwei Optionen:


✅ Die Idee unterstützen: 


Die Führungskraft geht Risiken ein. Wenn das Projekt erfolgreich ist, profitiert das Unternehmen. Sollte es jedoch scheitern, liegt die Verantwortung dafür bei der Führungskraft.


❌ Die Idee nicht unterstützen: 


Der Status quo bleibt gewahrt, das Risiko minimal, und die Führungskraft sichert ihre Position als „verlässlicher Manager“. Eine kurzfristig bequeme Entscheidung – doch langfristig kann sie die Innovationskraft des Unternehmens erheblich schwächen.


Viele neigen deshalb dazu, Entscheidungen hinauszuzögern oder zusätzliche Anforderungen zu stellen. Nebst der Angst, sich zu stark zu exponieren, befürchten sie auch, Ressourcen falsch einzusetzen oder bestehende Strukturen zu destabilisieren. Statt eine klare Entscheidung zu treffen, fordern sie weitere Analysen, Prototypen oder Machbarkeitsstudien – nicht unbedingt aus strategischen Gründen, sondern aus Unsicherheit über die potenziellen Folgen. So schaffen sie Innovationshemmnisse und bahnbrechende Ideen werden im Keim erstickt.


Wenn Intrapreneure diese Muster durchschauen, setzen sie möglicherweise auf eine Strategie, die als "Submarine Disruption" bekannt ist: Sie arbeiten verdeckt an ihren Ideen, testen sie in kleinem Rahmen und umgehen bürokratische Hürden.


 

Das Beispiel von Steve Wozniak: Eine verpasste Chance für HP

Ein berühmtes Beispiel für Submarine Disruption ist Steve Wozniak, Mitbegründer von Apple. In den 1970er-Jahren war er als Ingenieur bei Hewlett-Packard (HP) angestellt. Neben seiner eigentlichen Arbeit entwickelte er in seiner Freizeit den Prototypen eines Personal Computers, den späteren Apple I.


Wozniak erkannte früh das Potenzial eines erschwinglichen Computers für den persönlichen Gebrauch – doch HP sah das anders. Als Angestellter war er verpflichtet, seine Entwicklungen dem Unternehmen vorzulegen. Fünfmal präsentierte er seine Arbeiten der HP-Führungsebene, doch jedes Mal wurde er abgewiesen.


Die Antwort: „Wir sind eine Firma für wissenschaftliche Rechner. “


Statt sich entmutigen zu lassen, arbeitete Wozniak ausserhalb der HP-Strukturen weiter an seiner Idee – diesmal gemeinsam mit Steve Jobs. Sie präsentierten ihren Prototypen schliesslich einem kleinen Kreis an Interessierten und fanden Unterstützung für die Gründung von Apple Computer im Jahr 1976 – der Rest ist Geschichte.


📌 Dieses Beispiel provoziert – doch jeder, der sich damit auseinandersetzt, wird ähnliche Fälle in seinem Umfeld finden. Es gibt unzählige weitere Beispiele für verpasste Chancen, etwa Kodak, die den digitalen Wandel unterschätzten, oder Nokia, die den Smartphone-Markt zu spät ernst nahmen.


 

Wie Unternehmen Innovationsblockaden auflösen können


Neue Ideen sind wie junge Pflanzen: Sie brauchen Licht (Sichtbarkeit und Anerkennung), Wasser (Ressourcen wie Zeit und Budget) und Luft (Freiheit von übermässiger Bürokratie), um zu wachsen. Fehlt eines dieser Elemente, verkümmern sie.


Unternehmen, die ihre Innovationskraft erhalten oder zurückgewinnen wollen, müssen gezielt Strukturen schaffen, die Experimente ermöglichen und Entscheidungen beschleunigen.

 

Fehler zulassen und aus ihnen lernen

Fehler sind unvermeidlich, wenn Neues ausprobiert wird. Eine gesunde Fehlerkultur betrachtet Misserfolge als Teil des Innovationsprozesses – und als Chance.


Praxis-Tipp: Führe eine "Fast-Fail"-Strategie ein: Setze auf kleine, kontrollierte Experimente mit klaren Lernzielen, anstatt grosse, risikoreiche Veränderungen vorzunehmen.

 

✅ Entscheidungsmut belohnen

Wer Risiken eingeht, sollte nicht für Fehlschläge bestraft, sondern für mutiges Handeln anerkannt werden. Wer Angst vor Konsequenzen hat, wird nichts Neues ausprobieren.


Praxis-Tipp: Etabliere eine "Innovation Task Force": Ein interdisziplinäres Team, das schnelle Entscheidungen für Innovationsprojekte trifft und Hindernisse abbaut.

 

✅ Bürokratische Hürden abbauen und Ressourcen bereitstellen

Innovation braucht Geschwindigkeit. Wenn eine Idee erst durch zahlreiche Gremien und Abstimmungsrunden muss, bevor sie verfolgt wird, verliert sie an Dynamik – und oft an Relevanz. Ohne Zeit, Budget und Know-how können zudem auch die besten Ideen nicht weiterwachsen. Unternehmen sollten sicherstellen, dass Mitarbeitende auf die benötigten Mittel zurückgreifen können. 


Praxis-Tipp: Vergib kleine, flexible Innovationsbudgets, die Mitarbeitenden erlauben, ihre Ideen mit minimalen Bürokratiehürden zu testen.

 

Ein Gedanke zum Abschluss


Internes Unternehmertum braucht eine Kultur, die Innovation nicht nur erlaubt, sondern aktiv fördert. Führungskräfte spielen dabei eine entscheidende Rolle. Erfolgreiche Führung verlangt mehr als disziplinarische Autorität – sie verlangt Flexibilität in der eigenen Rolle.


Ein innovatives Unternehmen funktioniert wie ein gesundes Ökosystem: Je mehr Ideen genährt und geschützt werden, desto stärker wachsen sie. Ohne die richtigen Bedingungen verkümmert nicht nur die Idee – sondern auch das Potenzial für zukünftige Innovationen.


Der Verlust von Innovationskraft ist kein unausweichliches Schicksal, sondern das Ergebnis unternehmensinterner Strukturen. Unternehmen, die frühzeitig erkennen, wie Wachstum ihre Dynamik beeinflusst, können gezielt gegensteuern – und so entweder ihre Innovationskraft bewahren oder wiederbeleben.


Intrapreneurship bietet einen konkreten Ansatz, um interne Innovationspotenziale nicht nur zu reaktivieren, sondern von Anfang an gezielt zu fördern – bevor sie ungewollt ausgebremst werden.


 

Dein Beitrag


📢 Welche Erfahrungen hast du mit Intrapreneurship gemacht?


🔹 Bist du selbst ein Intrapreneur? Hast du schon einmal versucht, eine Idee in einem Unternehmen voranzutreiben – und bist dabei auf Widerstände gestossen?


🔹 Kennst du Intrapreneure? Welche Strategien haben sie genutzt, um Innovationen durchzusetzen?


🔹 Oder leitest du ein Unternehmen? Wie gehst du mit Mitarbeitenden um, die unternehmerisch denken und neue Wege vorschlagen?


🚀 Teile deine Erfahrungen in den Kommentaren oder vernetze dich mit mir – ich freue mich auf den Austausch!


 

 
 
 

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